Die Linke in der Krise

Die Linke in der Krise

Politikwissenschaftler Michael Koß im Interview

Die Linke steckt in der Krise und immer wieder hört man in den Nachrichten, dass der Partei die Spaltung droht. Doch wo liegen eigentlich die Probleme?

Die Linke im Fokus

Während die Linke in Deutschland gerade massiv unter Druck steht und zerstritten scheint – auch wegen Sarah Wagenknecht, die öffentlich mit einer möglichen Parteineugründung kokettiert – geht es bei der Europawahl kommendes Jahr um viel für die Partei: Nicht in die Belanglosigkeit abzurutschen. Wie steht es um die Krise bei der Linken und wie wichtig ist sie für die Parteienlandschaft in Deutschland? Wir haben uns mit Politikwissenschaftler Michael Koß von der Leuphana Universität Lüneburg darüber unterhalten.



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Spaltet sich die Linke?

Es gab mehrere bittere Schläge für die Linke zuletzt, schlechte Umfragewerte, Rücktrittserklärung der Fraktionsvorsitzenden Bartsch und Amira Mohamed Ali und natürlich die Sabotage von innen durch Sarah Wagenknecht. Die Linke gilt schon seit einiger Zeit als zerstritten. Viele befürchten nun, der Punkt sei gekommen, an dem endgültig eine Spaltung der Partei droht. Und auch Michael Koß stimmt dem zu, er sagt, die interne Spaltung der Linken führe dazu, dass die Einheitlichkeit und klare Wahrnehmung in der Öffentlichkeit beeinträchtigt wird.
"Ich sehe das absolut so und der Hintergrund ist tatsächlich in den Spaltungen zu suchen, die sie angesprochen haben. Dass Parteien jetzt verschiedene Flügel haben, man sich da nicht einig ist über alle Details und so weiter – das ist vollkommen normal. Aber in der Linken hat es klassisch eine Spaltung zwischen zwei Lagern gegeben und da ist jetzt ein drittes dazu gekommen. Und da würde ich sagen, das ist einfach zu viel, das hält die Partei nicht aus und das macht sie dann auch irgendwo für alle nicht eindeutig wahrnehmbar." - Michael Koß 


Die Flügel der Linken: Drei sind einer zu viel

Ursprünglich, so Koß, war ein Teil der Linken eine ostdeutsche Regionalpartei, die pragmatische und lokale Politik betrieb. Zusätzlich gab es dann noch ein orthodox linkes Lager um Sarah Wagenknecht. Die beiden ursprünglichen Lager der Linken haben oft – mal mehr, mal weniger produktiv – gestritten und im Laufe der Zeit kam ein weiteres Lager hinzu, die "emanzipatorische Linke", die sich weniger auf lokale Themen konzentriert.
"Und die drei Sachen ja, wo sozusagen zwischen Lokal und eher auf so einer sogar übernationalen Ebene gestritten wird, wo zwischen pragmatisch und sehr orthodox-links gestritten wird und zwischen emanzipativ und klassisch links - das ist sozusagen die Quadratur des Kreises, und darunter leidet die Linke." - Michael Koß

Die interne Spaltung der Linken führt auch dazu, dass die Partei nicht durch Stimmenverluste der großen Volksparteien profitierte – dafür sind andere Parteien einfach eindeutiger wahrnehmbar. Während man beobachten kann, wie die AfD in den neuen Bundesländern als Partei für lokale Angelegenheiten immer stärker wird und der Linken hier den Rang abgelaufen hat, stimmen die emanzipatorischen Ansichten der Linke mit denen der Grünen zum großen Teil überein. Auch mit diesem Flügel kann sich die Linke also nicht stärker in der öffentlichen Wahrnehmung gewichten. Und auch der orthodoxe Flügel steht inhaltlich mittlerweile in klarer Konkurrenz zur AfD.
"Und deswegen, sozusagen, kam nie was von SPD und CDU bei [...] der Linkspartei [an]. Es wurde eben von AfD und Grünen sozusagen absorbiert." - Michael Koß

Wenn einer der Flügel der Partei jedoch nach außen auch dominant und eindeutig sichtbar ist, ist die Linke noch relevant und kann auch erfolgreich sein. Das sieht man aktuell zum Beispiel in Bremen, Berlin oder Thüringen, wo Bodo Ramelow als einziger linker Ministerpräsident regiert.
"Da funktioniert das, da sind Leute wirklich ganz pragmatisch vor Ort. Und im Umkehrschluss kann man eben sagen, dass genau das nicht funktioniert, wenn keiner dieser drei Flügel sichtbar dominiert über einen anderen, sondern es ist da so ein unproduktives, zerstrittenes nebenher gibt. Und das muss man ganz einfach sagen, zeichnet die Bundesebene aus." - Michael Koß

Mehr dazu erfährst du auch in Michael Koß' Buch Demokratie ohne Mehrheit, in dem er unter anderem darüber spricht, ob die Zeit der großen Volksparteien in Deutschland vorbei sei.

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(Wann) gründet Sarah Wagenknecht eine eigene Partei?

Sarah Wagenknecht ist eine der bekanntesten Linkenpolitikerinnen in Deutschland. In letzter Zeit hat sie in Talkshows offen Kritik an ihrer eigenen Partei geäußert und Aussagen abgegeben, die nicht mit der Parteilinie übereinstimmen. Außerdem kokettiert sie mit der Gründung einer eigenen Partei - offiziell ist aber bisher nichts, die Anzeichen verdichten sich jedoch. Mit der linken Sammelbewegung "Aufstehen" hatte Wagenknecht schon einmal versucht, eine eigene Partei zu gründen oder zumindest den Grundstein dafür zu legen – allerdings lief das gewaltig schief, das sagt auch Michael Koß. Ob es diesmal klappt, könnte unter anderem davon abhängen, ob sie aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat.
Hat sie jetzt also jemanden an der Hand, [...] oder idealerweise sogar ein Team? Gibt es da Menschen, die die sozusagen das Organisatorische abfangen? Ich sag mal um die Talkshow-Präsenz einer solchen Partei würde ich mir jetzt keine Sorgen machen. Aber organisatorisch sehe ich riesige [...]. Aber davon wird sehr viel abhängen." - Michael Koß



Braucht die Parteienlandschaft in Deutschland die Linke noch?

Eine häufige Kritik, die an der Linken geäußert wird, ist also, dass sie mit internen Streitereien an Glaubwürdigkeit verloren habe. Sie könne so aktuell kaum noch ein Gegengewicht zu rechts sein. Da stellt sich durchaus die Frage, ob es die Linke in der deutschen Parteienlandschaft noch benötigt. Eine ziemlich schwierige Frage, die man nicht leicht beantworten kann, sagt Michael Koß. Einerseits sieht er die Fragmentierung des Parteiensystems immer auch kritisch – je mehr Parteien es gibt, desto schwieriger wird es, sich zu einigen und eine Koalition einzugehen. Andererseits braucht es, um die Interessen der Gesellschaft abzubilden, auch genügend Vielfalt.
"Ich glaube es könnte eine Linke brauchen, die selber weiß, wofür sie da sein will. Ja, die sich meinetwegen zwei Flügel leistet, aber drei ist wirklich einer zu viel. Ich glaube, das hat auch die Evolution gezeigt, Vögel machen das auch mit zweien, ja, und da sollte die Reise hingehen."- Michael Koß

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