Der Familie den Kontakt abbrechen

Der Familie den Kontakt abbrechen

Meinung: Wir sollten es normalisieren, sich von Verwandten zu trennen

Von  Anna Taylor
Mit Partner*innen Schluss zu machen, ist normal. Familienmitgliedern den Kontakt abzubrechen, noch nicht. Warum?

Man sagt gerne mal: "Für Eltern gibt es nichts schlimmeres, als das eigene Kind zu verlieren". Stimmt sicherlich auch in den meisten Fällen. Gleichzeitig sollte es nicht für selbstverständlich angesehen werden, dass elterliche Liebe bedingungslose Liebe ist. Manchmal ist da sogar gar keine Liebe und nur eine Zweckgemeinschaft. Oder eine strikte Hierarchie, in der es dann doch viel mehr um ein Macht als eine gegenseitig respektvolle Beziehung geht. Dabei gibt es nicht nur physische Missbräuche, sondern auch psychische, zum Beispiel in Form von oder emotionale Vernachlässigung.

Warum sollen Familienmitglieder einen Freifahrtschein im Umgang mit einem haben?

Nur weil in jemandem zum Teil dasselbe Blut fließt, heißt das noch lange nicht, dass man sich von verwandten Personen jeden Scheiß gefallen lassen muss. Wenn uns Partner*innen schlecht behandeln oder wir das Gefühl haben, nicht geliebt zu werden - dann ist es gesellschaftlich mehr als akzeptiert (wenn es nicht sogar gefordert wird), Schluss zu machen. Das gleiche gilt mittlerweile für Freundschaften - auch diese werden immer öfter offiziell beendet. Aber warum ist es noch nicht normal, mit Blutsfamilie zu brechen?

Meiner Meinung nach sollte man das Schlussmachen mit der Familie dringend normalisieren.

Denn meiner Meinung nach verlassen sich gerade Verwandtschaft und erst recht Eltern darauf, dass ihre Kinder bis zum Rest ihres Lebens an sie gebunden sind - egal, wie sie sie behandeln. Das kann schwere Folgen für Betroffene haben. Gestörte Liebesbeziehungen, tiefe Traumata bis hin zu der Gefahr, im Umgang mit den eigenen Kindern toxische Verhaltensweisen zu spiegeln. Eine Therapie hilft zum Reflektieren. Doch den Gedanken: "Verzeihen oder verziehen", sollte man stets zusätzlich im Hinterkopf haben. Immer. Denn manchmal geht verzeihen nicht mehr. Und dann sollte man sich verziehen.



Muss man beim Schlussmachen fair bleiben?

Man kann für sich den Anspruch haben, egal welche Beziehung - sei es eine Partnerschaft, Freundschaft oder eben Verwandtschaft - so respektvoll wie möglich zu beenden. Mit der Betonung auf: "wie möglich". Manchmal ist es das einfach nicht. Manchmal bringt es auch nichts, vergangene und immer wieder wiederholte Fehler zu erklären - wenn man weiß, dass es eh nur auf Ignoranz trifft oder eine aggressive Defensive auslöst. 

Dabei solltest du trotzdem im Kopf haben: Die andere Person weiß unter Umständen nicht, was sie falsch gemacht hat.

Selbst wenn du denkst, dass du es in der Vergangenheit bereits mehr als deutlich gemacht hast - oder sogar sagen würdest, dass es doch offensichtlich sein muss. In Gruppen verlassener Eltern, die sich beispielsweise zuhauf auf Facebook finden, ist es diese Frage, die sich am meisten rumtreibt: "Was habe ich falsch gemacht?" Eine Begründung des Kontaktabbruchs käme in vielen Fällen einer Erlösung gleich. Und ich würde mal behaupten, dass sie zur Selbstreflektion auch recht hilfreich wäre.

Dennoch: Manchmal ist es wichtig, nur auf sich selbst zu schauen. Und manchmal schuldest du niemandem was. Erstrecht nicht, wenn sich um deine Gefühle und Bedürfnisse nie geschert wurde.



Deine Meinung dazu? 

Hast du schon mal überlegt, einem deiner Familienmitglieder den Kontakt abzubrechen oder hast es sogar getan? Erzähl uns, das du darüber denkst - am besten via Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder via WhatsApp ab 089 360 550 460.

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