Der Wandel des Musikmarkts

Der Wandel des Musikmarkts

Prof. Hubert Wandjo im Interview mit egoFM Elise

Der Musikmarkt verändert sich ständig. Prof. Hubert Wandjo, Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg, kennt sich bestens mit diesem Wandel aus.

20 Jahre lang arbeitete Prof. Hubert Wandjo in Führungspositionen von Labels wie Sony Music, Columbia und eastwest records. Gemeinsam mit Prof. Dr. Alexander Endreß hat er das Buch Musikwirtschaft im Zeitalter der Digitalisierung herausgegeben.

Im Interview mit Elise erklärt er die aktuellen Entwicklungen des Musikmarkts.

  • Der Wandel des Musikmarkts
    Prof. Hubert Wandjo im Interview mit egoFM Elise
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Pressefoto: Prof. Hubert Wandjo | Popakademie Baden-Württemberg


Von CD bis Streaming

Als Prof. Hubert Wandjo 1980 angefangen hat, wurde die CD als revolutionäres Medium gefeiert. Durch sie erlebte die Musikwirtschaft einen riesigen Aufschwung. Die einschneidende technische Errungenschaft war dann die mp3, durch die der illegale Konsum so stark befeuert wurde, dass der Markt um 50 Prozent eingebrochen ist. In geringem Umfang konnte dieser Verlust durch Downloads im Apple-Store stabilisiert werden, aber erst durch legales Streaming hat der Musikmarkt wieder Fahrt aufgenommen.

Früher besaß man ein physisches Produkt, jetzt bezahlt man für den Zugang zum Weltrepertoire.

Zahlungsmodell in der Kritik

Anfang des Jahres haben viele Musiker*innen weltweit für eine fairere Bezahlung protestiert. Prof. Hubert Wandjo hat uns die Auszahlungsweise erklärt: 70 Prozent der Aboeinnahmen gehen an die Rechteinhaber*innen der Musik, 30 Prozent behalten die Streaminganbieter*innen selbst. Die Rechteinhaber*innen sind in erster Linie Künstler*innen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen, von denen es heute viel mehr gibt als früher. Das summiert sich weltweit und der Gesamtkuchen wird somit durch mehr Personen geteilt.
 

Verschiedene Modelle

Ausgezahlt wird gerade hauptsächlich durch das Pro Rata-Modell, das heißt, alle Einnahmen kommen in einen Topf, die Künstler*innen mit den höchsten Stream-Zahlen bekommen den größten Anteil davon, sehr populäre Künstler*innen werden also besser bezahlt. Aus dieser Bezahlung hat sich eine Fair Share-Bewegung gegründet, die eine gerechtere Auszahlung fordert. Ein Gegenmodell, das allerdings im Moment noch erforscht wird, wäre zum Beispiel das User Centric Payment System.  

"Wenn ich jetzt als Jazz-Fan […] mit meinen zehn Euro den ganzen Monat nur Miles Davis höre, dann würde nach dem User Centric Payment System die ganzen zehn Euro bei dem Künstler landen, also genau bei dem, den ich auch höre." – Prof. Hubert Wandjo
 

Live-Bereich

Durch die Digitalisierung des Musikmarktes ist der Tonträgerbereich heute nicht mehr das Haupteinkommen der Musiker*innen. Vor der Pandemie haben vor allem die kleineren Künstler*innen im Live-Bereich Geld verdient.

"Das Live treibt das Einkommen der Künstler und das […] Geschäft mit den Tonaufnahmen ist oft nur noch heute sozusagen zur Markenbildung da und ist nicht mehr die wesentliche Einkommensart." – Prof. Hubert Wandjo
 


Wie man als Musiker*in erfolgreich wird

Laut der Künstlersozialkasse KSK verdient ein Popmusiker im Schnitt 12.000 bis 15.000 Euro brutto im Jahr. Prof. Hubert Wandjo rät seinen Studierenden, wenn man keinen großen Hit habe, müsse man zusehen, wie man mit der Leidenschaft seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Dabei sollte man sich möglichst breit aufstellen und schauen, welche Einkommensarten man als Musiker*in potenziell hat. Da bieten sich die verschiedensten Möglichkeiten an, zum Beispiel Unterricht geben oder Film-, Fernseh-, oder Werbemusik zu produzieren.
 

Wir haben hier weitere Möglichkeiten gesammelt, als kleine*r Künstler*in Geld zu verdienen.

 

Die Rolle der Charts

Die offiziellen Charts sind trotz Streaming und ihrer Umstrittenheit ein wichtiger Indikator und vermeintlicher Ausweis von Erfolg. Die entsprechenden Künstler*innen und Titel werden dann speziell im Medienbereich verstärkt im Programm eingesetzt, weil sie mit der Chartplatzierung bewiesen haben, dass der Titel eine hohe Nachfrage hat.
 


Playlist-Klicks

Parallel dazu sind die beliebten Playlisten der Streaming-Plattformen wie New Music Friday für die Musiker*innen enorm wichtig. Wenn man darin landet, bekommt die Musik höhere Klickzahlen und generiert mehr Einnahmen. Zudem orientieren sich an diesen Playlisten andere Playlisten, so verstärkt sich der Effekt wiederum.
 

Das Comeback von Vinyl

Allerdings hat jede Bewegung auch eine Gegenbewegung. Auf der einen Seite geht der Trend hin zu einzelnen Tracks in Playlisten, auf der anderen hatten Schallplatten in den letzten Jahren ein Comeback. Prof. Hubert Wandjo glaubt, dass Platten als physisches Stück mit einem schönen Cover auch als Lifestyle-Verstärker für junge Leute fungieren. Hipster kaufen sich eher Schallplatten als der Normalkonsument, sagt er.
 

Veränderung der Fankultur

Auch Fankulturen haben sich verändert, gleichgeblieben ist aber, dass vor allem junge Leute Fans sind und Musik zur Verstärkung des Lebensstils oder Absonderung von anderen Gruppen hören - das kann man digital genauso wie analog. Über das Streaming kommt man auf den Geschmack der Musik, wer stärker einsteigen will, geht auf Konzerte, kauft CDs oder Merchandise. Wenn Künstler*innen sich einen Namen gemacht haben, können sie alle möglichen Angebote machen und ganze Boxen mit Artikeln verkaufen, wie es im HipHop häufig passiert.

Wo der Unterschied zu damals außerdem auffällt, ist in der Verbindung zwischen Fan und Künstler*innen:
"Man hatte in der rein physischen Zeit, wo man im Grunde genommen die neue Veröffentlichung eines Künstlers sich gekauft hat und dann hat man wieder Ruhe gehabt. Dann hat man sich das angehört und hat ein bisschen vielleicht geguckt, ob's irgendwo im Radio läuft oder im Fernsehen bei irgendeiner Show, bei Wetten dass? oder wo auch immer. Heute ist man quasi permanent in Kontakt. […] Es hat eine andere Fankultur heute." - Prof. Hubert Wandjo

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