Nachhaltigkeit auf Festivals - wie soll das gehen?

Nachhaltigkeit auf Festivals - wie soll das gehen?

Manche Veranstalter*innen machen's vor

Von  Anna Taylor
Wenn es eine Sache gibt, die an Festivals oft richtig, richtig stört, ist es das Umweltproblem. Doch immer mehr Veranstalter*innen lassen sich Maßnahmen dagegen einfallen.

Das große Umweltproblem auf Festivals

Viele Festivals mussten die letzten zwei, drei Jahre ja leider eine Zwangspause einlegen, aber jetzt ist sie endlich wieder voll im Gange: die Festivalsaison. Die Freude ist natürlich riesig, aaaaber:

Wo zehntausende Menschen miteinander feiern, bleibt eben leider auch viel Müll zurück.

Einwegbecher, Plastikgeschirr und dann auch noch Campingzubehör, das gar nicht mal so wenige Menschen auf dem Campinggelände zurücklassen. Und das ist natürlich nicht das einzige Problem, das Festivals in Sachen Nachhaltigkeit haben. Auch die Massen an Energie, die auf dem Gelände gebraucht werden, die Anreisen der Künstler*innen und Besucher*innen und Ernährung stellen umweltbewusste Veranstaltungen vor ein paar Rätsel. Neben Green Touring von Musiker*innen gibt es aber mittlerweile auch für Festivals einige Ideen und Innovation, wie das Ganze nachhaltiger gestaltet werden kann.

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Moderator Max steht mitten im Schlachtfeld und zeigt die Schattenseite von Festivals

Die Ideen des Roskilde Festivals

Wir selbst waren dieses Jahr auf dem Roskilde Festival in Dänemark unterwegs und haben etwas genauer darauf geachtet, wie sich das Festival in Sachen Nachhaltigkeit so macht. Immerhin rühmt sich die temporäre, viert größte Stadt des Landes damit, Wert auf eine soziale, nachhaltige Gesellschaft zu legen. So gehen die Festivaleinnahmen zu 100 Prozent an humanitäre, kulturelle und gemeinnützige Projekte auf der ganzen Welt, das Roskilde Festival ist damit also eine Non-Profit-Veranstaltung. 

Viele unserer Fragen konnte uns Sanne Stephansen, die Nachhaltigkeitsmanagerin vom Roskilde Festival, beantworten.

Lösungen fürs Müllproblem

Anders als bei anderen Events  gibt es beim Roskilde keinen Pfand auf volle Müllbeutel. Das sieht man leider auch, wenn man gegen Ende des Festivals über die "War Zone" schlendert. So wird der Campingplatz, der direkt an das Festivalgelände grenzt, liebevoll genannt und diese War Zone macht ihrem Namen leider alle Ehre. Gerade nach dem Festival bleibt einiges an Campingzubehör liegen. Die Veranstalter*innen versuchen das Problem etwas einzudämmen, indem sie bestimmte Campingplätze bereits mit Zelten versehen und diese zur Vermietung freigeben. Dieses Jahr waren alle davon restlos vergriffen, nächstes Jahr werde man noch mehr anbieten, erzählt Stephansen. 

Ansonsten soll ein ausgedehntes Pfandsystem helfen, die Menge rumliegender Dosen und Becher zu minimieren. Klappt natürlich auch nicht perfekt, da viele Besucher*innen gerne mal ihre Stärke demonstrieren, indem sie Dosen mit bloßen Händen oder Füßen zerknüllen - für Geld abgegeben werden können diese dann nur halt nicht mehr, weswegen sie liegen bleiben.

Lösungen fürs Energieproblem

Mit mehreren fetten Bühnen und sowieso allerlei Zeug, das Energie schluckt, sind Festivals unmöglich stromsparsam. Allerdings lässt sich schon einiges verbessern, wenn man sich mal anschaut, woher diese Energie kommt. Früher wurden auf dem Gelände des Roskilde Festivals mit Diesel betriebene Generatoren benutzt, 2019 wurden deswegen 160.000 Liter Diesel verbraucht. Dieses Jahr wurde auf Generatoren verzichtet und dementsprechend der Dieselverbrauch halbiert. Stattdessen wurden insgesamt fünf Transformatoren aufgestellt, wodurch sich das Festival den Saft aus dem dänischen Stromnetzwerk ziehen konnte. Dänemark ist in Sachen erneuerbarer Energie ziemlich weit voran, was die ganze Sache ein großes Stück nachhaltiger macht.

Natürlich gibt es auch die Überlegung, Strom selbst zu erzeugen mittels Solaranlagen oder Ähnlichem. Da ist die Nachhaltigkeitsmanagerin ziemlich ehrlich und sagt: "Das ist nicht unsere Aufgabe". Sie seien ein Festival und kein Stromerzeuger. Fair enough.

Lösungen fürs Reiseproblem

Einen ziemlich großen Teil der ganzen CO2-Emissionen des Festivals macht die An- und Abreise der Musiker*innen und Besucher*innen aus. Damit letztere nicht unbedingt mit dem Auto anreisen, sind zunächst die Parkplatzmöglichkeiten stark begrenzt. Zudem wurde es so angenehm wie möglich gemacht, mit dem Zug anzureisen. Haben wir selbst auch so gemacht, hat auf jeden Fall geklappt. 

Die genauen Mengen, wie viel CO2 mehr oder weniger ausgeschüttet wird bei An- und Abreise, will das Roskilde dieses und die folgenden Jahre noch genauer untersuchen. Konkrete Zahlen gibt es also bisher nicht. Allerdings hat Sanne Stephansen eine interessante These:

Es könnte nachhaltiger sein, viele Menschen für mehrere Tage mit mehreren Events anreisen zu lassen, als wenn genauso viele Menschen an noch mehr Orten dieser Welt zu einzelnen Events wie zum Beispiel Konzerten tingeln. 

Lösungen für nachhaltigere Ernährung

Eine der schönsten Dinge auf Festivals - seien wir mal ganz kurz ehrlich - sind vor allem die Fressalien. So stehen auch auf dem Roskilde Festival viele tolle Buden rum, zwischen denen man sich kaum entscheiden kann, weil eine leckerer als die andere riecht. Die Gerichte sind dabei fast komplett in Bio-Qualität. Um transparent gegenüber den Konsument*innen zu sein, wurde ein Tool entwickelt, mit dem die Stände ausrechnen und ausstellen können, wie groß der ökologische Fußabdruck ihres Essens ist. 
Auch die Überlegung, komplett auf pflanzliche Ernährung umzusteigen, schwebt im Raum. Hier zögern die Veranstalter*innen nur leider noch ein bisschen aus Angst vor den Reaktionen der Besucher*innen. Die Befürchtung ist, das Fleisch werde dann einfach mit auf den Campingplatz gebracht und ist dann gegebenenfalls von sehr geringer Qualität. Was stattdessen der Plan ist: Mit tollen veggie Alternativen zu Würstchen, Burger Patties oder sogar der dänischen Spezialität namens Flæskestegssandwich sollen die Festivalgänger*innen nachhaltig dazu inspiriert werden, auch mal im Alltag auf Fleisch zu verzichten.

Nachhaltigkeit ist allerdings mehr als öko

Natürlich ist es wichtig, dass Festivals umweltbewusst gestaltet werden, doch zu Nachhaltigkeit allgemein zählen auch gesellschaftliche Faktoren - wie zum Beispiel Gleichberechtigung und Diversität. Gerade in der Live-Musikbranche wird dies gerne mal übersehen, wodurch das ein oder andere - sogenannte - Penis-Line Up entsteht, in denen man alles abgesehen von weißen cis-Männern mit der Lupe oder gar vergeblich suchen muss. Beim Roskilde Festival ist das nicht so. Hier müssen sich Besucher*innen schon grobfahrlässig anstrengen, kein diverses Programm zu sehen, da das Line Up unglaublich vorbildlich divers ist. Nicht nur, was die Geschlechtergeschichte angeht. So präsentierte das Roskilde Festival eine ausgewogene Auswahl, in denen auch BPoC- und queere Musiker*innen stark vertreten waren. In dieser Hinsicht können sich sehr viele Festivals eine fette Scheibe abschneiden.


Auch andere Festivals setzen sich für Nachhaltigkeit ein

Das Rock am Ring startete dieses Jahr eine neue Antimüllkampagne. Damit Zelte nicht einfach so weggeworfen werden, hat das Rock am Ring dieses Jahr ein Upcycling-Konzept vorgestellt: Aus den Zelten sollen Taschen, Rucksäcke und Jacken entstehen. Die Gewinne davon fließen in ökologische und soziale Projekte. Man muss sein Zelt aber gar nicht liegen lassen: Es soll sogar einen eigenen Zelt Reparaturservice geben.

Das Modular Festival in Augsburg hat einen eigenen CO2-Rechner entwickelt und weiß damit, wo sie überall was einsparen können. Das funktioniert durch Ökostrom, das Müllkonzept und durch die Verpflegung die größtenteils vegetarisch und vegan ist.
Auch auf der Fusion wiederum wird bei den Ständen auf eine komplett fleischlose Ernährung geachtet. Immerhin macht dies ziemlich viel aus, wie wir unter anderem auch schon im egoFM Nachhaltigkeits-ABC gelernt haben. 

Beim Melt! Festival machen sich die Veranstalter*innen neben nachhaltiger Ernährung und Komposttoiletten auch um die An- und Abreise der Besucher*innen Gedanken. So gibt es beispielsweise einen Hotelzug, der zwischen Köln und Ferropolis verkehrt. Dort können Festivalgänger*innen direkt schlafen und sich so Zelte und den ganzen Kram sparen. 

Das Glastonbury in England ist seit eh und je ein Festival, das sich ökologisch und sozial engagiert. Seit 2019 sind deswegen auch Einweg-Plastikflaschen auf dem Festivalgelände verboten. Besucher*innen dürfen also eigene Trinkflaschen mitbringen.

Das waren jetzt nicht mal alle Festivals. Tatsächlich ist der Nachhaltigkeitsgedanke schon gut verbreitet in der Festivalbranche. 

Feiern und trotzdem auf die Umwelt achten muss sich also nicht unbedingt ausschließen.


Eines der größten Probleme sind allerdings die Besucher*innen selbst

Festivalveranstalter*innen können sich noch so viele Gedanken um eine ordentliche Müllentsorgung oder clevere Recycling-Systeme machen, wenn die Besucher*innen keine Rücksicht zeigen, indem sie beispielsweise Bierdosen willkürlich in der Gegend rumschmeißen und halb zerstörte Zelte mit dem Mindset "Na, irgendwer wird sich schon drum kümmern" einfach stehen lassen. Ein gewisses Umweltbewusstsein ist für das Funktionieren nachhaltiger Festivals also essenziell. Wenn man als Besucher*in Teil der Lösung sein will, haben wir ein paar Tipps...

Wie können Festivalgänger*innen auf mehr Nachhaltigkeit achten?

  • Campingzeug (Zelte, Schlafunterlagen und -säcke, etc. pp.) am besten leihen: Wenn du nicht zu der Riege regelmäßiger Camper*innen gehörst, wirst du das ganze Zeug kaum brauchen und gegebenenfalls selbst sogar damit liebäugeln, es einfach stehen zu lassen, statt wieder einzupacken und mitzunehmen. Wenn du es dir leihst - sei es von Freund*innen oder dem Festival selbst - ist das Bewusstsein größer, achtsamer mit dem Zeug umzugehen 
  • Statt Einweggeschirr lieber welches von zu Hause mitbringen
  • Meals preppen oder auch weniger fancy ausgedrückt: Essen schon zu Hause vorbereiten und in Tupperdosen zum Festival mitnehmen. Das sollten natürlich alles Gerichte sein, die nicht innerhalb von zwei bis drei Tagen schlecht werden. Auf die Weise kannst du haufenweise Dosen- oder Plastikmüll vermeiden
  • Mehrweg statt Einweg: Wir kennen's ja alle irgendwie - Bier und Konsorten auf Festivals können ganz schön teuer sein und überhaupt will man eventuell ja gerne auch auf dem Campingplatz mal zur Dose greifen. Also bringt man eben selbst auch was mit. Cool wäre es dann, wenn die Dosen und Flaschen wenigstens ein längeres Leben haben als Einwegverpackungen
  • Müllbeutel verwenden: Es ist wirklich kein Hexenwerk, Müll nicht einfach auf den Boden zu klatschen, sondern stattdessen in einen Müllbeutel



Der egoFM Festivalsommer

Wenn du jetzt Lust bekommen hast, auch das ein oder andere Festival dieses Jahr zu besuchen, aber dich nicht entscheiden kannst: Auf unserer Webseite bekommst du mit dem egoFM Festivalsommer einen Überblick unserer Lieblingsfestivals. Und mit etwas Glück sponsern wir dir sogar die Tickets! Aber denk dran: Nimm deinen Müll wieder mit!

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