Periodenarmut

Periodenarmut

Feminism Friday - Weil Feminismus alle was angeht

Von  Miriam Fischer
Tampons, Binden, Menstruationstassen oder Periodenunterwäsche – braucht rund die Hälfte der Weltbevölkerung, können sich aber bei weitem nicht alle von ihnen leisten. Das Stichwort hier heißt Periodenarmut. Aber was genau bedeutet das eigentlich und was hat das überhaupt mit Feminismus zu tun?


Fehlender Zugang zu Menstruationsprodukten

Periodenarmut beschreibt den Zustand, dass menstruierende Menschen aus finanziellen Gründen keinen oder nur ungenügenden Zugang zu Menstruationsprodukten, sanitären Einrichtungen oder sauberem Wasser haben. Frauen und Mädchen im globalen Süden sind ganz besonders betroffen, aber auch in Europa oder den USA ist Periodenarmut definitiv ein Problem. Schätzungen zufolge betrifft Periodenarmut weltweit ungefähr 500 Millionen Menschen.


Vorab: Es sind vor allem Frauen und Mädchen von Periodenarmut betroffen, weswegen sich viele Schätzungen, Zahlen und Umfragen auch nur auf diese beziehen. Es gibt allerdings auch intersexuelle Menschen oder Personen, die sich nicht als Frau identifizieren, menstruieren und von Periodenarmut betroffen sind. Deswegen ist hier auch von Menstruierenden oder menstruierenden Menschen die Rede. Durch diese Begrifflichkeiten sollte allerdings nicht in den Hintergrund geraten, dass das Thema Periodenarmut auch eng mit der jahrhundertelangen (und nach wie vor andauernden) Unterdrückung von Frauen zusammenhängt. 


Periodenarmut ist ein globales Problem und hat weitreichende Folgen

Gesundheitliche Folgen

Die Kosten für Menstruationsgesundheit liegen ungefähr zwischen fünf und 35 Euro pro Monat. Je nachdem, welche Ausgaben berücksichtigt werden (nur Hygieneprodukte wie Tampons, Binden oder Menstruationstassen oder auch Schmerzmittel, neue Unterwäsche, Wärmflaschen oder andere Dinge, die während der Periode notwendig sind). Betroffene von Periodenarmut greifen häufig auf "Alternativen" wie Socken, Lappen, Zeitungen, Watte, Taschentücher, Blätter und ähnliches zurück oder/und verwenden die wenigen Menstruationsprodukte, an die sie kommen, viel zu lange. Das ist nicht nur menschenunwürdig, sondern auch ein riesiges gesundheitliches Problem, da das Risiko für Infektionen der Fortpflanzungsorgane und der Harnwege oder beispielsweise für das Toxische Schocksyndrom steigt, was tödlich enden kann. 

Periodenarmut betrifft etwa 100.000 menstruierende Obdachlose in Deutschland, aber auch viele Menschen, die an der Armutsgrenze leben, wie beispielsweise Personen die Transferleistungen beziehen, in Ausbildung sind oder von BAföG leben. Laut einer Umfrage hat knapp jede vierte menstruierende Person in Deutschland Probleme damit, ihre Ausgaben für die Periode zu finanzieren und jede zehnte Person zögert den Wechsel von Tampons, Binden oder Slipeinlagen hinaus, um weniger Produkte zu benötigen. Betroffene ohne festen Wohnsitz haben neben der Finanzierung zusätzlich das Problem, einen Ort zu finden, an dem Menstruationsprodukte hygienisch gewechselt werden können. Aus diesem Grund sind Mehrwegprodukte wie Menstruationstassen oder Periodenunterwäsche keine Lösung. Um sich Periodenprodukte leisten zu können müssen Betroffene an anderen Stellen (zum Beispiel bei Essen und Trinken) sparen. In Kenia beispielsweise gaben in einer Umfrage außerdem zehn Prozent der Mädchen unter 15 Jahren an, dass sie bereits auf transaktionalen Sex zurückgegriffen haben, um an Menstruationsprodukte zu kommen.  

Ein fehlender oder nicht genügender Zugang zu sanitären Einrichtungen und Menstruationsprodukten kann außerdem zur Folge haben, dass Mädchen und Frauen aus Scham jeden Monat bis zu fünf Unterrichts- oder Arbeitstage verpassen.

Ein paar Beispiele: In Bangladesch gaben in einer Umfrage über zwei Drittel der Mädchen an, dass ihre schulischen Leistungen durch menstruationsbedingte Problemen beeinträchtigt werden. In Nordmazedonien gaben beispielsweise 90 Prozent der Mädchen an, während ihrer Periode nicht in die Schule zu gehen, weil dort unzureichende hygienische Bedingungen herrschen und die Menstruationsprodukte zu teuer sind. Aus eben diesen Gründen brechen in Indien jedes Jahr fast 23 Millionen Mädchen die Schule ab, nachdem sie zum erstem Mal ihre Periode hatten und in Kenia geht jede zehnte Schülerin nicht regelmäßig in die Schule, wenn sie ihre Periode hat. Fehlende Bildung wiederum führt bei Frauen und Mädchen häufig zu viel zu frühen Heiraten und Schwangerschaften. Und auch in Deutschland gab jede vierte menstruierende Person an, dass die Sorge, Menstruationsprodukte nicht rechtzeitig wechseln zu können, dazu führt, dass sie auf Aktivitäten verzichten.

Dabei ist Bildung und gesellschaftliche Teilhabe ein so wichtiger Schlüssel, um Gleichberechtigung zu erreichen. Periodenarmut ist also nicht nur ein Symptom der ungleichen Behandlung zwischen den Geschlechtern, sondern verstärkt diese auch weiterhin und hat weitreichende gesellschaftliche Folgen. In einer gleichberechtigten Welt sollten deswegen alle Zugang zu kostenlosen, oder zumindest sehr kostengünstigen, Periodenprodukten haben. Denn Binden, Tampons, Menstruationstassen und Co. sind kein Luxus, sondern eine absolute Notwendigkeit und sollten auch als solche behandelt werden.

Die gesellschaftliche Stigmatisierung und die daraus folgende Scham kommen beim Thema Periodenarmut erschwerend hinzu und beeinflussen diese zusätzlich.

Menstruierende Menschen wurden und werden sehr häufig stigmatisiert und die Periode an sich tabuisiert. Deswegen wird nach wie vor sehr wenig über die Periode gesprochen, was zu einem Mangel an Wissen führt und zur Folge hat, dass sich alte Mythen hartnäckig halten und sich viele menstruierende Menschen immer noch für ihre Periode schämen. Das ist ziemlich paradox, wenn man bedenkt, dass die Hälfte der Weltbevölkerung im Schnitt 38 Jahre lang einmal im Monat menstruiert und damit einen essenziellen Einfluss auf den Erhalt der Menschheit hat. In manchen Teilen der Welt wird es Frauen und Mädchen außerdem verboten zu kochen, die Kirche oder Schule zu besuchen und teilweise müssen sie sich sogar von ihren Familien isolieren, während sie ihre Periode haben. Diese Scham und Stigmatisierung führt dazu, dass nicht ausreichend über Periodenarmut gesprochen wird und diese deswegen oft im Verborgenen stattfindet, was bei den Betroffenen wiederum zu Isolation, Depression, Missbrauch, Vernachlässigung, sexueller Ausbeutung und sogar Selbstmord führen kann. Menstruation muss deswegen dringend ein akzeptierter und völlig normaler Teil des alltäglichen Lebens werden - denn nur dann kann auch sachlich darüber gesprochen werden, wie Periodenarmut bekämpft werden kann. 

Wird der Zugang zu Periodenprodukten erleichtert und werden außerdem Tabus, Stigmatisierung und Diskriminierung abgebaut, sinken Gesundheitsrisiken und es ist außerdem ein notwendiger Schritt im Kampf für Geschlechtergerechtigkeit. 



Weltweit nimmt der Kampf gegen Periodenarmut mehr Fahrt auf

Nach einer erfolgreichen Kampagne und Petition gilt seit Januar 2020 in Deutschland ein reduzierter Steuersatz auf Periodenprodukte und sie werden seit dem nicht mehr als Luxusgüter eingestuft. Dass Periodenprodukte - genau wie Klopapier und Seife - zur Standardausstattung von öffentlichen Toiletten gehört, ist aber leider auch in Deutschland noch nicht der Fall. 

Auch in Schottland ist Periodenarmut beispielswiese stark verbreitet, das Land tut aber etwas dagegen: Schottland ist seit 2021 das erste Land weltweit ist, welches kostenlose Menstruationsprodukte an Schulen, Universitäten und öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung stellt. Mehr dazu findest du hier. In Australien, Kanada, Irland, Indien oder in Kenia sind Periodenprodukte beispielswiese komplett von der Mehrwertsteuer befreit und erst im Juni wurde die Produktdesignerin Rafaella de Bona Gonçalves vom Europäischen Patentamt für ihre biologisch abbaubaren Hygienebinden und Tampons aus leicht verfügbaren Ernteabfällen ausgezeichnet, mit denen sie wirtschaftlich benachteiligten Bevölkerungsgruppen in Brasilien hilft. Der Kampf gegen Periodenarmut nimmt also zum Glück weltweit an Fahrt auf.

So könntest du unter anderem helfen:




Am Feminism Friday erklären wir dir regelmäßig die wichtigsten Schlagworte und ordnen die umstrittensten Themen des Feminismus ein. Einen Überblick über die bisherigen Artikel und die Möglichkeit, selbst Themen vorzuschlagen, bekommst du hier.

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