Munich Kyiv Queer: Solidarität kennt keine Grenzen
Conrad Breyer im Interview mit egoFM Max
Munich Kyiv Queer setzt sich seit Jahren für die Rechte von queeren Ukrainer*innen ein. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges hat sich ihre Arbeit verändert und wurde wichtiger denn je.
Conrad Breyer ist Pressesprecher von Munich Kyiv Queer und hat mit egoFM Max darüber gesprochen, wie es queeren Ukrainer*innen im Moment geht und wie die Organisation aktuell hilft.
Conrad Breyer von Munich Kyiv Queer
Das komplette Interview zum Anhören
Fight for Global Rights – Solidarität kennt keine Grenzen
Jedes Jahr wird mit der Rainbow-Europe Map eine Rangliste veröffentlicht, die zeigt, welche Länder LGBTQIA+-freundlich sind und in welchen es für queere Menschen gefährlich ist. Ukraine landet in diesem Jahr – auch wegen des Krieges – auf den hinteren Plätzen, die Mappe findest du hier. Inzwischen seit zehn Jahren setzt sich Munich Kyiv Queer für die Rechte von queeren Ukrainer*innen ein, damit sich das ändert.
2012 stand der CSD München unter dem Motto "Fight for Global Rights – Solidarität kennt keine Grenzen" und es wurden unter anderem auch Gäst*innen aus der Partnerstadt Kyjiw eingeladen. Die Geschichten, die sie erzählt haben, haben die Münchner Community so bewegt, dass sie helfen wollten - und so ist Munich Kyiv Queer entstanden. Seitdem leistet die Organisation einerseits Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung und setzt sich andererseits auch für eine Stärkung der queeren Community ein, unter anderem durch kulturelle Veranstaltungen.
In den letzten Jahren hat sich die Situation für die LGBTQIA+-Community in Ukraine eigentlich stetig etwas verbessert:
"Die Sichtbarkeit dieser Pride-Bewegung, die ab 2013 erfolgreich [in Ukraine] lief, hat erheblich zu mehr Akzeptanz beigetragen, auch zu einer rechtlichen Verbesserung. Sodass wir heute zum Beispiel [dort] eine vereinfachte Transitionsgesetzgebung haben und einen Diskriminierungsschutz am Arbeitsplatz." - Conrad Breyer
Nichtsdestotrotz liegen Jahrzehnte dazwischen, wenn man den Umgang mit und die Rechte der LGBTQIA+-Community in Deutschland und Ukraine vergleicht.
Über Nacht musste sich die Organisation dann quasi neu erfinden.
Direkt am 24. Februar hat Munich Kyiv Queer eine Spendenorganisation ins Leben gerufen und sich seitdem zu einer Hilfsorganisation entwickelt.
"Wir sammeln tatsächlich Spenden für LGBTIQ in der Ukraine, die in Not sind, also die ausgebombt wurden, die auf der Flucht sind, ihre Jobs verloren haben, kein Einkommen mehr [haben]. Was wir aber auch machen, ist, dass wir hier Geflüchtete willkommen heißen und sie zunächst betreuen, wenn es um Unterkunftssuche geht, [...]. Die queeren Leute, die hier sind, müssen integriert werden, müssen in den Arbeitsmarkt, die wollen Deutsch lernen und da helfen wir auch sehr viel bei der Bürokratie und auch bei der Ansprache." - Conrad Breyer
Nach dem Königsteiner Schlüssel können aktuell in Bayern übrigens keine geflüchteten Menschen mehr aufgenommen werden, weswegen sie in andere Bundesländer verteilt werden, erzählt Conrad Breyer.
Nach wie vor ist an vielen Stellen Hilfe gefragt. Abgesehen von Munich Kyiv Queer, die du hier unterstützen kannst, haben wir weitere Hilfsmöglichkeiten hier gesammelt und Infos, wie du marginalisierten Gruppen im Speziellen helfen kannst, gibt's hier. Damit Munich Kyiv Queer queeren geflüchteten Menschen aus Ukraine helfen kann, müssen diese sich allerdings erstmal trauen, offen mit ihrer Queerness umzugehen und Kontakt zu der Organisation aufzunehmen.
"Es gibt durchaus Fälle von lesbischen Paaren, die dann hier in München ankamen und die sich dann gar nicht als Paar, als Familie, zu erkennen gegeben haben. Die trauen sich das nicht, weil sie ganz andere Erfahrungen in der Ukraine haben, wo man ja zum Teil Anfeindungen erlebt oder auch durchaus mal den Job verlieren kann, wenn man sich da outet." - Conrad Breyer
Um auf sich aufmerksam zu machen und möglichst viele queere Geflüchtete aus Ukraine zu erreichen und zu ermutigen, ist die Organisation aktiv auf Social Media, arbeiten eng mit Behörden und Erstaufnahmestellen zusammen und legt dort auch Flyer aus.
Munich Kyiv Queer hilft auch direkt vor Ort. Es gibt beispielsweise Schutzunterkünfte für queere Menschen, die von Kyiv Pride und Gay-Alliance Ukraine gestellt werden. Munich Kyiv Queer ist Teil des nationalen Bündnisses Queere Nothilfe Ukraine und unterstützt solche und andere Projekte vor Ort.
Natürlich gibt es auch queere Menschen, die in der ukrainischen Armee kämpfen müssen.
Viele Erfahrungsberichte, die Conrad Breyer hört, sind - den Umständen entsprechend - positiv:
"Die meisten, die uns davon erzählen, sind offen, das heißt, die haben sehr viele positive Erfahrungen im Moment, [sie erzählen] dass alle zusammen sich gegen den Feind wenden und das schweißt zusammen und baut weiter Vorurteile ab. Ich will das nicht idealisieren. Es ist natürlich so, dass es auch sicherlich andere Fälle gibt." - Conrad Breyer
Schlimm ist es zum Beispiel für Männer zwischen 18 und 60, die aus gesundheitlichen und psychischen Gründen nicht in der Lage sind zu kämpfen, aufgrund der Generalmobilmachung das Land aber auch nicht verlassen dürfen. Problematisch ist auch die Situation von Transpersonen, die laut Personalauswies noch Männer sind, weil sie ihre Dokumente aus finanziellen oder anderen Gründen noch nicht anpassen lassen konnten. Diese Personen können erst ausreisen, wenn sie eine entsprechende ärztliche Bescheinigung haben.
Wie geht es nach dem Krieg weiter?
Es gab in Ukraine vor dem Krieg durchaus eine konservative, gewaltbereite Minderheit in der Bevölkerung. In der Vergangenheit haben sich Staat und Polizei nicht genügend distanziert, sagt Conrad. Er hat allerdings die Hoffnung, dass durch den jetzigen Zusammenhalt die Bedürfnisse von Minderheiten - nicht nur der LGBTQIA+-Community - besser gesehen werden.
"Ich habe das Gefühl, dass sich dieses Land auch nochmal völlig verändert hat jetzt in den letzten Monaten. Dass man wirklich - auch wenn es pathetisch klingt - die freiheitlich demokratischen Grundwerte Europas verteidigt in diesem Systemkampf und dadurch die Akzeptanz automatisch größer wird." - Conrad Breyer
Am Freitag, den 15. Juli findet eine Benefiz-Party mit Podiumsdiskussion statt:
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