Die Debatte um Colin Kaepernick und Nike

Die Debatte um Colin Kaepernick und Nike

Warum im Netz Sneaker brennen

Warum zerstören so viele Amerikaner gerade absichtlich ihre Nikes? Und warum sprechen Stars, wie Rihanna und Pink, jetzt sogar über die Boykottierung des Superbowls? Wenn du auch nicht so ganz kapierst, was abgeht, dann lies hier, worum es geht.

Seit ein paar Wochen beobachten wir in den sozialen Netzwerken eine seltsame Bewegung. Menschen (hauptsächlich Amerikaner) haten gegen den Sporthersteller Nike und zerstören alles, was sie von Nike besitzen: Sneaker werden verbrannt, Socken und T-Shirts zerschnitten oder in die Tonne getreten. Das Ganze wird gefilmt und über Twitter und Facebook geteilt.

Und die Frage, die sich hier bei uns jeder stellt: Was zur Hölle ist da eigentlich los?


Der Auslöser der wilden Zerstörungswut ist eine Werbekampagne

Genauer die neue Kampagne von Nike mit dem Footballspieler Colin Kaepernick. Letzte Woche wurde das erste Foto veröffentlicht:


Die prompte Reaktion im Netz: Auf den sozialen Netzwerken ploppten Posts mit den Hashtags #nikeboycott #burnyournikes und #removetheswoosh auf.



Aber wieso die Aufregung? Dass sich ein Sportartikel-Gigant einen bekannten Sportler als Gesicht seiner Herbstkampagne holt, ist ja erstmal wenig verwunderlich. Allerdings ist Colin Kaepernick in den USA eine sehr umstrittene Persönlichkeit.

Warum haten so viele gegen Colin Kaepernick?

Kaepernick hatte 2016 Schlagzeilen gemacht, als er bei einem Spiel der National Football League außerhalb des Spielfelds sitzen geblieben war, während die amerikanische Nationalhymne gespielt wurde. Für ihn ein Zeichen des Protests gegen Rassismus und Polizeitgewalt gegen Schwarze in Amerika.
"I am not going to stand up to show pride in a flag for a country that oppresses black people and people of color", erklärte er später die Aktion, für die er nicht nur gefeiert wurde.

Auch als es nicht bei einem Mal blieb: Bei späteren Spielen saß er nicht, sondern kniete Colin Kaepernick am Spielfeldrand. Damit verärgerte er eine Menge Leute, die auffällig oft weiß und wohl eher dem konservativen politischen Spektrum zuzuordnen waren. Eine der lautesten kritischen Stimmen gegen Kaepernick damals war – richtig – Schreihals und zu dem Zeitpunkt noch Präsidentschaftskandidat Donald Trump. Er war einer der ersten, der Kaepernick als unpatriotisch und respektlos gegenüber der amerikanischen Flagge bezeichnete. Und gegenüber denen, die ihr Leben für Amerika riskieren.

Bis heute haben Footballspieler aus unterschiedlichen Mannschaften das Zeichen des Protests von Colin Kaepernick übernommen.


Aber eben nicht aus Respektlosigkeit gegenüber Amerika, sondern um auf ein Diskriminierungsproblem hinzuweisen, das das Land bis heute hat.


Trump bleibt bei seiner Haltung zur Protestbewegung im Football und hat die NFL sogar aufgefordert, ihre Spieler zu feuern, wenn sie sich während der Nationalhymne hinknien sollten.


Mit dieser Vorgeschichte ist auch klar, wer den Shitstorm gegen Nike vorantreibt - nämlich dieselben Leute, denen Colin Kaepernick und seine Form des Protests schon vor zwei Jahren gegen den Strich ging.


Aber es gibt auch Pro-Kaepernick Stimmen

Und die kommen ausgerechnet aus dem Militär. Man kann wohl behaupten, dass sich die Soldaten der US-Armee mit Patriotismus auskennen. Bei der Nationalhymne zu knien hält ein Großteil von ihnen offenbar nicht für respektlos oder unpatriotisch, sondern für das gute Recht eines jeden Amerikaners. Unter dem Hashtag #veteransforkaepernick melden sich seit ein paar Tagen wieder vermehrt US-Soldaten und -Veteranen zu Wort, die sich hinter Kaepernick stellen. Der ehemalige Soldat Marcus Newsome hatte den Hashtag schon 2016 zur ersten Kaepernick-Debatte gestartet – er ist also nicht neu, zum Nike-Boykott aber wieder brandaktuell.


Und auch unter der amerikanischen Zivilbevölkerung gibt es ein Pro-Kaepernick Lager oder zumindest ein Anti-Boykott-Lager. Die Videos mit brennenden Nike-Schuhen bezeichnen viele Twitterer als absurd und kindisch oder machen ironische bis ernst gemeinte Gegenvorschläge, wie man seine Nikes sinnvoll loswerden kann:



Was macht Colin Kaepernick heute?

Nach seinem ersten Protest vor zwei Jahren ist Colin Kaepernick seit der Saison 2017 ein sogenannter free agent, also ein Spieler ohne Verein. Er hat die NFL beschuldigt, ihn mit internen Absprachen zu boykottieren, damit er nicht mehr unter Vertrag genommen wird. Kaepernick hat deswegen Beschwerde gegen die NFL eingelegt, der Fall geht wie es jetzt aussieht vor Gericht. Dann müssten sich die NFL Vorstände zu einer Anhörung einfinden. Um Geld geht es hier (vermutlich) schon lange nicht mehr, sondern ums Prinzip.
 
Die NFL hat in der Zwischenzeit eine neue Regel eingeführt, die es den Spielern freistellt, ob sie bei der Nationalhymne auf dem Spielfeld erscheinen – dann aber stehend – oder drinnen in der Kabine bleiben. Was ein Spieler begonnen hat, wird aber so schnell nicht aufhören. Und Nike setzt mit der Wahl von Colin Kaepernick als Kampagnengesicht auch ein politisches Statement. Der Slogan "Believe in something. Even if it means sacrificing everything" hat eine doppelte Bedeutung – er bezieht sich nicht nur auf Sport, sondern auch auf die Geschichte von Colin Kaepernick.

Dem Image von Nike scheint dieses Statement gut zu tun: Seit dem Launch der Kampagne ist der Umsatz im Onlinegeschäft um 31 Prozent gestiegen. Vielleicht weil so viele der enttäuschten Zerstörer heimlich ein neues Paar Nikes bestellt haben.




Und was hat das Ganze jetzt mit Rihanna und Pink zu tun?

Mittlerweile melden sich auch zunehmend mehr Prominente aus Amerika öffentlich zu Wort, um zu zeigen, dass sie hinter Kaepernick stehen, wie zum Beispiel Beyoncé und Big Sean.

Besondere Aufregung gab es aber jetzt Mitte Oktober wegen des Super Bowls.

Die ersten Spieltage der 99. NFL-Saison sind vorübergegangen und langsam rückt damit auch der weltweit beliebte Super Bowl näher. Neben dem Interesse am Endspiel ziehen auch diverse Festlichkeiten die Zuschauer auf der ganzen Welt an - allen voran die Halbzeitshow, die jedes Jahr einen der Höhepunkte des Abends darstellt. 

Kein Wunder also, dass diese schon einige Zeit früher geplant und der auftretende Künstler so früh wie möglich angekündigt wird. Seit Jahren treten hier "the Who is Who" der angesagten Pop-Stars auf, wie beispielsweise Madonna, Michael Jackson oder Phil Collins. 
Auch dieses Jahr wird wieder nach den Größen der populären Musik gesucht. Für das Finale im Februar in Atlanta wurde deshalb die R&B- und Pop-Sängerin Rihanna gefragt - und sie lehnte ab. 

Rihanna wollte aufgrund der bisherigen Ereignisse nicht als Hauptact des NFL Finales auftreten, aus Unterstützung für Colin Kaepernick.

Wenige Tage später stellt sich jetzt heraus: Rihanna bleibt nicht die Einzige. Wenig später klopfte die NFL auch bei Sängerin Pink an, um sie als Headliner des Super Bowls unter Vertrag zu nehmen. Auch sie lehnte ab für Kaepernick ab. 

Mittlerweile steht fest: Band Maroon 5 stimmt zu und wird in Atlanta singen.

Die Fans reagieren wütend und erwarten bisher vergeblich ein Statement der Band, warum sie auf das Angebot eingegangen sind und nicht gemeinsam mit ihren Kollegen der Popmusik ein Zeichen für Kaepernick setzen.
Wer weiß, vielleicht nutzt die siebenköpfige Band ja die Halftime Show für eine gesellschaftliche bzw. politische Äußerung - bisher lassen sie aber auf sich warten. 

Anscheinend war zwischenzeitlich auch Cardi B im Gespräch, sich mit Maroon 5 im Februar die Bühne zu teilen - doch auch sie lehnte ab. 

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