Nilüfer Yanya: My Method Actor

Nilüfer Yanya: My Method Actor

Das Album der Woche

Von  Vitus Aumann
Das richtige Leben schreibt dann eben doch die filmreifsten Geschichten.

Method Acting – was war das noch gleich?

Das war diese Technik, die Schauspieler*innen meistens das allergrößte Lob einbringt. Da schlüpft man nicht einfach schnell in eine Rolle, man lebt quasi eine Zeit lang in ihr und legt sie auch nicht ab, wenn die Kamera ausgeht. Das kann zu ziemlich dämlichen Situationen führen, zum Beispiel wenn jemand denkt, er wäre der Joker und meint, er müsse seinen armen Kolleg*innen am Filmset perverse Geschenke schicken. Aber manchmal sorgt das Method Acting eben auch dafür, dass Menschen wie Daniel Day-Lewis, Natalie Portman oder Heath Ledger sensationelle Leistungen abliefern, über die wahrscheinlich noch in Jahrzehnten geschwärmt wird.

Jetzt widmet sich Nilüfer Yanya auf ihrem dritten Album auch dem Method Acting – der Oscar ist damit wohl auch so gut wie eingetütet.

 

Trilogie fulminant beendet

Dabei hat ihre Musik doch eigentlich eh schon genug Lob abbekommen. Auf das Debüt, dass so gut wie alle Vorschusslorbeeren gerechtfertigt hatte, kam der möglicherweise sogar noch stärkere Nachfolger Painless. Eigentlich gibt’s also keinen Grund für große Stiländerungen. Und die liefert My Method Actor auch eher nur im Detail.

Auf der Platte liefert Nilüfer Yanya eigentlich ziemlich das, was sie eh schon so gut kann...

...und das gerne auch nochmal ein Stück besser als gewohnt. Nilüfers Stimme ist eh schon fast unfairer Wettbewerbsvorteil: Unverwechselbar wirkt sie erst komplett cool und entspannt, aber erst recht, wenn sie in die Höhe schnellt, offenbart sie große Emotionen. In der ersten Hälfte von My Method Actor setzt Nilüfer auch noch auf verzerrte Gitarrenwände – eine Kombination, die wahnsinnig gut passt. Aber auch die ruhigeren Momente wie "Call It Love" funktionieren dank eingängigem Riff und angenehmen Streichern ziemlich gut. Gegen Ende beschwört sie sogar waschechtes Westernfeeling herauf: "Just A Western" bekommt durch düstere Synthies aber auch noch einen ganz individuellen Twist.

Das Schauspiel des Lebens

Das Album ist aber trotz allem nicht zur akustischen Schauspielschule geworden. Die Themen auf My Method Actor bleiben vielfältig, wie der Sound. "Like I Say (I runaway)" ist Ausbruchsfantasie und gleichzeitig ein Versuch, die Kontrolle über das eigene Leben zurückzubekommen. "Made Out Of Memory" ringt mit einer Trennung von einer Person, die eigentlich schon viel zu sehr im Kopf feststeckt, und "Mutations" widmet sich dem schleichenden, stetigen Wandel eines Lebens.

Der Titel passt aber trotzdem wie eine Eins, denn Nilüfers Faszination mit der Schauspieltechnik kommt von ihren Bühnenauftritten. Während sich Schauspieler*innen ständig auf bestimmte Erinnerungen fokussieren müssen, um überzeugend zu spielen, muss sie sich ja auf der Bühne auch jedes Mal wieder an den Ursprung ihrer Songs zurück fühlen. Und je nach Song kann das durchaus auch eine schmerzhafte Erfahrung sein.

Für Nilüfer Yanya ist Method Acting also keine Technik, um in andere Rollen zu schlüpfen, sondern um die eigenen Emotionen stärker zu fühlen – und My Method Actor ist ein Bekenntnis dazu, diesen Weg auch weiterzugehen.
 


Tracklist: Nilüfer Yanya - My Method Actor

  1. Keep On Dancing
  2. Like I Say (I runaway)
  3. Method Actor
  4. Binding
  5. Mutations
  6. Ready for Sun (touch)
  7. Call It Love
  8. Faith's Late
  9. Made Out Of Memory
  10. Just A Western
  11. Wingspan
 
My Method Actor ist am 13. September auf Ninja Tune erschienen.

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