Andere Länder, andere Schulsysteme

Andere Länder, andere Schulsysteme

Wie es in Klassenzimmern auf der ganzen Welt zugeht

In Deutschland sind Bildungserfolg und sozialer Hintergrund eng miteinander verknüpft. In anderen Ländern, vor allem im skandinavischen Raum, ist das nicht so.


Schulsysteme weltweit im Vergleich

Die Veröffentlichung der PISA-Studie der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) gibt alle drei Jahre einen Überblick über die schulischen Leistungen der verschiedenen Länder in den Bereichen Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften. Die das PISA-Ranking 2022 findest du hier. 

Wir haben uns mal die Schulsysteme einiger Länder genauer angeschaut, die in dieser Studie regelmäßig besser abschneiden als Deutschland.


Schweden: Gleiche Chancen für alle

Chancengleichheit ist der oberste Wert an schwedischen Schulen. Außerdem soll kein Kind zurückgelassen werden und die Schulen sind sehr selbstständig was schulische Arbeit, die Einstellung von Lehrkräften und die Ausgestaltung der Stundenpläne betrifft.

Die neunjährige Grundschule ist Pflicht, alles davor und danach ist freiwillig.

Kostenfreie Ganztagsschulen und viel Fachpersonal wie Köche*innen, Bibliothekar*innen, Psycholog*innen, Freizeitpädagog*innen, Sozialarbeiter*innen und Schulkrankenpfleger*innen zeichnet die Schulen in Schweden aus. Schulnoten gibt es erst ab der sechsten Klasse. Die Stärken der Schüler*innen werden betont und Teamarbeit steht sowohl bei den Schüler*innen, als auch bei den Lehrkräften im Mittelpunkt. 

Finnland: Kinder sind mehr als ihre akademische Leistung

Alle Schulen in Finnland werden finanziell unterstützt, um Bildung für alle Kinder zu gewährleisten. Außerdem steht die Persönlichkeit des Kindes im Mittelpunkt und nicht nur dessen akademische Leistungen. Finnische Lehrkräfte arbeiten eng zusammen und tauschen sich über Unterrichtsmethoden aus. 

Finnland hat übrigens keinen Lehrkräftemangel - im Gegenteil!

Es gibt einen harten Wettbewerb um Ausbildungsplätze, denn in Finnland ist der Lehrberuf sehr beliebt und ähnlich hoch angesehen wie die Polizei oder Ärzt*innen. Außerdem haben finnische Lehrer*innen mehr Freiheiten und auch mehr Verantwortung als Lehrer*innen in Deutschland und arbeiten eng mit (Sonder-)Pädag*innen, Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen und Schulassistent*innen zusammen.

Dänemark: Kinder werden zu kritischen Bürger*innen erzogen

In Dänemark sind Kinder ab dem siebten Lebensjahr bis zur 9. Klasse unterrichtspflichtig und gehen in eine sogenannte Volksschule. In dieser Volksschule wird nicht nach Leistung sortiert. Die Vorschulklasse ist Pflicht, das zehnte Schuljahr allerdings freiwillig, außerdem kann nach der 9. Klasse auch auf ein Gymnasium gewechselt werden.

Neben den üblichen Fächern wie zum Beispiel Mathe, Englisch und Bio...

...liegt der Schwerpunkt vor allem auch auf Wirtschaftslehre, Gesundheits-und Sexualkundeunterricht, Familienkunde, Ausbildungs-, Erwerbs- und Arbeitsmarktorientierung. Außerdem sollen IT und internationale Aspekte in allen Fächern mit einbezogen werden. Die Kinder sollen zu Bürger*innen einer demokratischen Gesellschaft erzogen werden und ihnen soll vermittelt werden, Dinge kritisch zu betrachten und zu hinterfragen. Eine Schulpflicht besteht in Dänemark übriges nicht, lediglich eine Unterrichtspflicht - Homeschooling ist beispielsweise also erlaubt.


Eva, Julia und Vanessa haben 2021 in ihrer Petition gefordert, dass eine umfassende Umweltbildung zentraler Bestandteil aller deutschen Lehrpläne wird. Das komplette Interview gibt's hier.


Island: Isländische Kinder leben Gleichberechtigung

Zwischen drei und sechs Jahren haben die Kinder in Island die Möglichkeit, eine Vorschule zu besuchen. Die Grundschule besteht aus der Primarstufe (1.-7. Klasse) und der Sekundarstufe (8.-10. Klasse).

Die Isländischen Schüler*innen schneiden zwar nicht besser ab in den PISA-Studien, haben aber einen anderen enormen Vorteil:

Vom Kindergarten bis zur Uni wird Gleichberechtigung gelehrt und praktiziert. Es geht darum, Stereotype zu erkennen und zu analysieren. Und das mit großem Erfolg: im aktuellen Global Gender Gap Report 2023 belegt Island Platz 1 (Deutschland ist auf Platz 6). 

Estland: Gleiche Voraussetzungen von Anfang an

Damit die Kinder schon vor der Einschulung über ein ähnliches Vorwissen verfügen, gibt es für alle Fünf- und Sechsjährigen ein verpflichtendes Schulvorbereitungsprogramm. Außerdem gibt es an jeder Schule eine*n Verantwortliche*n, der*die sich um die Bedürfnisse von Schüler*innen mit Behinderung kümmert. 

Bis zur neunten Klasse werden die Schüler*innen gemeinsam unterrichtet, erst danach müssen sie entscheiden, ob und auf welche weiterführende Schule sie gehen.

In diesen neun Jahren ist das Mittagessen in der Schule kostenlos, ebenso wie die Schulbücher, der Schulbus und Freizeit- und Lernangebote am Nachmittag. Wer aufs Gymnasium will, darf das in der Regel - auch wenn die Noten nicht so gut sind. Dass die Schüler*innen nicht wie in Deutschland so früh nach Leistung aufgeteilt werden, soll einer der wichtigsten Gründe für den Bildungserfolg Estlands sein. 


Was bedeutet es eigentlich, schlauer als fast alle anderen zu sein? Und wie könnten hochintelligente Kinder besser in der Schule gefördert werden? Das haben wir den hochbegabten Philipp Taylor im Interview gefragt, das komplette Gespräch findest du hier.


Irland: Ein Orientierungsjahr zur Interessenfindung

In Irland gibt es keine allgemeine Schulpflicht, das heißt Homeschooling ist prinzipiell möglich - wird allerdings von den Ir*innen weniger wertgeschätzt. Mit sechs oder sieben Jahren beginnt die Grundschule, die bis zur sechsten Klasse geht. Danach wählen die Schüler*innen eine von drei weiterführenden Schulformen.

Das vierte Jahr an dieser weiterführenden Schule ist das Transition Year.

In diesem Orientierungsjahr sollen die Schüler*innen neue Schulfächer testen, erste praktische Joberfahrungen sammeln und die persönliche und soziale Entwicklung fördern. Am Ende von dieser Zeit sollten die Schüler*innen dann dazu in der Lage sein, eine ihren Interessen entsprechende Wahl der Schulfächer für die Abschlussjahre treffen können. 


Gemeinsam mit kenianischen Partnervereinen unterstützt Promoting Afriva e.V. Kinder und Jugendliche in und um Nairobi bei einer beruflichen Zukunft. Ein Interview mit der Vorsitzenden Susanna Kiehling findest du hier.


Neuseeland: Wahl der Fächer nach eigenem Berufswunsch

Bereits im Alter von null Jahren beginnt in Neuseeland das Early Learning. Unter Einbeziehung der Eltern soll in sogenannten Pre-School-Einrichtungen ein kindgerechtes Lernen ermöglicht werden. Mit fünf Jahren werden die Kinder dann meist schon eingeschult, die Schulpflicht besteht von sechs bis 16 Jahren.

In jedem der vier Blöcke eines Schuljahres können die Schüler*innen ihre Fächer wechseln und nach dem eigenen Berufswunsch ausrichten.

Die Fächerauswahl ist sehr bunt und reicht von Elektrotechnik und Fotografie über Bootsbau und Landwirtschaft, bis hin zu Ernährung und Kochen. 

Australien: Große Auswahl an Sprachen, Sport, Kunst und Musik

Mit fünf Jahren absolvieren die Kinder in Australien ein Vorschuljahr. Danach gehen sie bis zur 6. Klasse in die Grundschule, anschließend folgt die Secundary School. Diese sind in Australien Gesamtschulen - eine Unterteilung gibt es lediglich in private und staatliche Einrichtungen. Schulpflicht besteht vom 6. bis zum 17. Lebensjahr. Schulen in Australien sind grundsätzlich kostenpflichtig, die privaten Schulen sind in der Regel aber ein Stück teurer als die staatlichen. 

In der Secondary School kann aus über 50 verschiedenen Fächern gewählt werden.

Zum Beispiel Jura, Psychologie, Informatik, Graphik Design oder Theater. Außerdem werden viele verschiedene Aktivitäten wie Musik, Ballett, Drama, Flugwesen, Informatik oder Sport angeboten.

Kanada: Herkunft spielt kaum eine Rolle für den Bildungserfolg

Das Schulsystem Kanadas gilt als eines der stärksten der Welt. Die ethnische und sozioökonomische Herkunft der Schüler*innen spielt für den Schulerfolg kaum eine Rolle, Kanada ist ein Einwanderungsland und Schulen sind ein wichtiger Punkt bei der kanadischen Integrationspolitik. In Kanada ist sind alle Schulen Ganztagsschulen und Computerlabore, großzügige Sportanlagen, ein umfangreiches Angebot an musischen und sportlichen Aktivitäten gehören an vielen Schulen zum Standard, weswegen die Schüler*innen auch eine starke Bindung zu ihrer Schule haben. 

In Kanada wird nicht in fester Klassenstruktur, sondern in Kursen unterrichtet.

Es gibt Kurse in verschiedenen Levels, was ermöglicht, dass alle Schüler*innen an einer Schule unterrichtet werden können. 


Wir haben mit Mathias Gorlitt gesprochen. Er ist mit seiner Frau und seinen zwei Kindern nach Kanada ausgewandert. Im Interview hat er mit uns über seine Erfahrungen gesprochen, das komplette Gespräch findest du hier.


Japan: Elitenbildung steht im Mittelpunkt

Auch das Bildungssystem in Japan zeichnet große Erfolge. Das System mit sechs Jahren Grundschule und je drei Jahren an der Mittel- und Oberschule ist extrem auf Elitenbildung ausgelegt. Viele Schulen besitzen strenge Regeln, wie zum Beispiel, dass alle gerade stehen müssen und auf keinen Fall Dinge vergessen werden dürfen.

Der Erfolg in den PISA-Studien kann deswegen auch nicht unreflektiert betrachtet werden:

Die Schüler*innen verspüren oft einen enormen Druck und besonders unter jungen Menschen ist die Selbstmordrate sehr hoch.

Südkorea: Bildung als Schlüssel für gesellschaftlichen Aufstieg

Wie in vielen ostasiatischen Ländern gilt auch in Südkorea Bildung als Schlüssel zum gesellschaftlichen Aufstieg. Das Schulsystem gliedert sich in sechs Jahre Grundschule, drei Jahre Mittelschule sowie drei Jahre High School. Aufgrund des hohen Stellenwertes der Bildung innerhalb der koreanischen Gesellschaft, gibt es in Korea auf praktisch allen Gebieten gut ausgebildete Menschen. Das Bildungssystem hat aber definitiv seine Schattenseiten: Südkoreanische Schüler*innen stehen unter enormen Leistungsdruck, um Eliteuniversitäten besuchen zu können und sich so gesellschaftliche Anerkennung und beruflichen Erfolg zu sichern. 

Auch in Südkorea sind junge Menschen besonders suizidgefährdet - nicht nur Schüler*innen, auch Lehrer*innen.

Im Sommer 2023 kam es nach dem Suizid der 24-jährigen Grundschullehrerin Lee Min So landesweit zu Protesten, die auf eine tiefe Krise im Schulsystem aufmerksam machten.

China: Disziplin, Konkurrenz und Leistung

Das fordernde und extrem kompetitive Schulsystem Chinas ist sehr erfolgreich. In China hat sich ein Schulsystem, das in sechs Jahre Volksschule und sechs Jahre Mittelschule gegliedert ist, durchgesetzt. Die Mittelschule ist in zweimal drei Jahre unterteilt, wobei die letzten drei Jahre freiwillig sind.

Eine wichtige Rolle spielen auch Kindergärten, Vorschulen und außerschulische Aktivitäten, in denen der Leistungsgedanke oft eine große Rolle spielt.

Grundsätzlich gilt vor allem in besseren Schulen, dass die Lernkultur stark auf Disziplin, Konkurrenz und Leistung aufgebaut ist und neben Mathematik, Sprache, Naturwissenschaft und "patriotischer Erziehung" nur wenig Platz für Fächer wie Sport und Musik ist.

Die Ängste der Eltern um die Ausbildung der Kinder ist oft traumatisierend für die Kinder und endet nicht selten in physischer Gewalt.



Einen
wichtigen Einfluss auf die Schulleistungen hat vor allem die Bedeutung, die ein Land der Bildung beimisst.

Auch wie viel Geld für Bildung ausgegeben wird, welches Image der Beruf der Lehrer*innen hat und welchen Einfluss ethnische und soziale Herkunft auf die Bildungschancen der Kinder haben, entscheidet über den schulischen Erfolg. Es kann allerdings auch festgehalten werden, dass ein gutes PISA-Ranking nicht zwangsläufig bedeutet, dass ein Land auch tatsächlich ein gut funktionierendes Schulsystem hat.

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