Woher kommt die Angst vor Klimaschutz?

Woher kommt die Angst vor Klimaschutz?

Sarah Kessler im Interview mit egoFM Gloria

Von  Gloria Grünwald (Interview) | Miriam Fischer (Artikel)
Vor ein paar Wochen haben wir uns gefragt: Warum fürchten Menschen Klimaschutz? Sarah Kessler von der LMU liefert Antworten.


Horrorvorstellung Klimaschutz?

In unserer Themenwoche Horror hat sich Kollegin Anna gefragt, warum sich Teile der Gesellschaft so bedroht fühlen von protestierenden jungen Menschen und klimaschützenden Maßnahmen - was hat es mit dem Horror vor klimagerechter Politik auf sich? Den Text von Anna findest du hier.

Sarah Kessler ist Sozialwissenschaftlerin am Lehrstuhl für Mensch-Umwelt-Beziehungen der LMU München und forscht am BAYSICS Forschungsprojekt des Bayerischen Klimaforschungsnetzwerks. Sie untersucht das Wissen um den Klimawandel in der Bevölkerung und beschäftigt sich mit der Frage, warum es Gesellschaft und Politik immer noch so schwer fällt, etwas gegen die Klimakatastrophe zu unternehmen. Und genau darüber hat sie jetzt mit egoFM Gloria gesprochen.
  • Sarah Kessler im Interview
    Das komplette Gespräch zum Anhören


Angst vor Klimaschutz vs. Angst vor Klimakatastrophe

Die Auswirkungen der Klimakatstrophe sind weltweit immer stärker zu spüren und um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, muss dringend gehandelt werden. Warum haben trotzdem manche Menschen mehr Angst vor Klimaschutzmaßnahmen, als vor der Klimakatastrophe selbst? Sarah Kessler hat dafür eine verständliche Erklärung - das Stichwort heißt Gewohnheit: Denn entgegen der Annahme, dass wir meist rational denken und handeln, treffen wir viele Entscheidungen vor allem aus Routinen und Gewohnheiten heraus. Und genau diese gefühlsbasierten Prozesse werden in der Klimadebatte sehr oft unterschätzt, sagt Sarah Kessler.

"Zum Beispiel hat so eine Ablehnung des Klimaschutzes bei manchen Leuten vielleicht etwas mit der Angst - also mit etwas Affektivem - zu tun, sich eben einschränken oder ändern zu müssen. Und da spielen eben Routinen und Gewohnheiten eine ganz große Rolle, weil für das Verhalten, wie ich etwas immer mache, muss ich mich nicht besonders anstrengen, aber wenn ich was verändern will, dann ist es eben schon anstrengend." - Sarah Kessler

Sie selbst arbeitet in ihrer eigenen Forschung mit dem Konzept der Klimakulturen.

Denn sehr viel von unserem Umgang mit dem Klimawandel kann kulturell erklärt werden. Und die Aktionen der Letzten Generationen beispielsweise polarisieren deswegen so stark, weil verschiedene Klimakulturen aufeinandertreffen. Die einen sagen zum Beispiel etwas wie "ich wäre auch gerne so mutig", die anderen eher "das ist eine totale Unverschämtheit".

"Das Problem ist, die Vertreter der unterschiedlichen Klimakulturen, die sprechen selten miteinander, sondern immer in ihrer eigenen Bubble, mit den Leuten, mit denen sie sich täglich umgeben. Wir sprechen da von cultural cocoons, also kulturellen Kokons oder echo chambers, also bestimmte Echokammern, die sich untereinander immer weiter bestätigen und leider miteinander nicht so gut in den Dialog treten." - Sarah Kessler


Harte Reaktionen auf zivilen Ungehorsam

Die letzte Generation bekommt also die unterschiedlichsten Reaktionen und je nach Klimakultur fallen die auch ziemlich hart aus - die Wortwahl von Kritiker*innen wird teils immer rauer und es kommt bereits zu Handgreiflichkeiten gegen die Aktivist*innen.

"Je radikaler die Protestform, desto höher kochen auch die Emotionen. Und die werden dann eben in der eigenen Bubble oder Klimakultur weiter gekocht." - Sarah Kessler

An sich ist das Mittel des zivilen Ungehorsam kein neues, von Rosa Parks bis hin zu Whistlerblower*innen kommt es immer wieder zum Einsatz. Das Thema wird aktuell also schon auch medial aufgebauscht, merkt Sarah Kessler an. Zum Beispiel, wenn Begriffe wie Klima-RAF oder Klimaterrorismus gestreut werden.

"Diese Rhetorik befeuert die Debatte unnötig, das ist total gefährlich. Die RAF wollte die Regierung vorführen und stürzen, das ist nicht das, was die Letzte Generation gerade versucht zu tun. Also die Medienberichterstattung spielt eine wahnsinnig große Rolle, sie liefert die Munition für diese Diskurse." - Sarah Kessler

Hinzukommen Unterstellungen wie mangelnde Lebenserfahrung oder Unreife und eine fehlende Institutionalisierung in der Politik.

Und wie kann die Lösung aussehen?

"Aus meiner Sicht wäre das aller wichtigste, dass eben die Politik zur Verantwortung gezogen wird, dass die Verantwortung nicht auf den einzelnen delegiert wird, weil der nämlich nicht so wirklich viel ausrichten kann. Es braucht politische Maßnahmen [...]. Das aller wichtigste glaube ich ist, die Letzte Generation und diese Proteste wirklich ernst zu nehmen von offizieller Seite. Weil die kleben sich sicher nicht zum Spaß auf die Straße, das ist eine Protestform, die wirklich aus einer gewissen Verzweiflung heraus entsteht und da wäre es schon langsam mal an der Zeit, dass die Politik das auch ernst nimmt." - Sarah Kessler 

Denn in Bezug auf die Letzte Generationen scheint es möglich zu sein, Verbote zu erlassen, aber Regulierungen für den Klimaschutz hingegen sind immer nur sehr schwierig umzusetzen, merkt die Sozialwissenschaftlerin Sarah Kessler zum Schluss noch an.



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